Die Entdeckung von Santa Chiara
Abseits der ausgetretenen Pfade – ab und zu muss ich mich einfach wieder einmal auf ein Abenteuer einlassen. In den meisten Fällen habe ich es auch nie bereut: Kaum betrat ich Neuland, wurde ich auch mit starken Eindrücken belohnt, mit Erinnerungen, die man nicht so schnell vergisst.
Im Sommer verbrachte ich mit meinem Mann und meiner Tochter eine Woche in Il Mulino, einem der Bauernhäuser, die Trust & Travel betreut.
Es war heiß und war nahe am Schmelzpunkt. Mann und Töchterlein wollten den Pool – oder jedenfalls den Beckenrand – nicht verlassen und ich konnte sie gut verstehen. Mir aber stand aus unerklärlichen Gründen der Sinn nach Erkundung der Nachbarschaft. Trotz der Hitze. So brach ich eines Morgens auf. Ganz alleine.
Meine Instinkte führten mich zur benachbarten Stadt Monte San Savino, historisch gesehen eine der ältesten Siedlungen in der Toskana. Ich erinnerte mich, hier schon einmal gewesen zu sein – ich denke, ich hatte Einkäufe gemacht und mit Tochter ein Eis gegessen.
Monte San Savino liegt auf halbem Weg zwischen Siena und Arrezzo. Das Städtchen hat sein mittelalterliches Erbe gut bewahren können und wurde erstaunlicherweise von den negativen Auswirkungen des Tourismus verschont. Außer seinem ursprünglichen italienischen Charme besitzt es ein Café, ein herrliches Rathaus im Stil der Renaissance und ein paar beeindruckende Reste der ehemaligen Stadtmauer.
Und obendrein ein gut gehütetes Geheimnis: Seine kleine Kirche.
Ich entdeckte Santa Chiara genau an dem Tag, an dem ich auf eigene Faust unterwegs war. Ihre zweiflügelige Eingangspforte stand einladend offen, wie hätte ich dieser Versuchung widerstehen können? So trat ich ein – in eine unerwartete, verzauberte Welt.
Im Innenraum war es still, er war spärlich beleuchtet, ein wenig altersschwach und fast leer. Zwei Engländerinnen waren in den Anblick dieser Pracht versunken, genauso beeindruckt und hingerissen wie ich. Außerdem gab es noch einen lustigen alten Signore, vermutlich ein selbsternannter Führer. Er schaltete die Lichter an, damit wir besser sehen konnten. Leider hatte er einen kleinen Sprachfehler, so dass ich fast nichts von seinen Ausführungen verstand. Aber er zeigte uns alle Schätze der Kirche.
Man sah, wieviel Ehrgeiz, wieviel Phantasie in die Ausgestaltung der Kirche geflossen war. Meine Augen, riesig vor Erstaunen, glitten über den vergoldeten Haupt-Altar, über die pittoresken Seiten-Altäre zu den prachtvollen Wandfresken, in allen erdenklichen Rot- und Grün-Schattierungen koloriert.
Dann wanderte meine Aufmerksamkeit zu zwei kostbaren Keramik-Reliefs. Eines war eine höchst kunstvolle Geburt Christi, umrahmt von einer Girlande aus Zitronen. Unser italienischer Führer brabbelte etwas in seinen Bart. Ich verstand nur, dass es von 1509 stammte und von keinem Geringeren als Luca della Robbia dem Jüngeren stammte, einem Bildhauer, der in vielen berühmten Museen gesammelt wird.
Schließlich hob der Ciccerone noch einen Vorhang, der unter dem rechten Seitenaltar angebracht war. Hier war ebenfalls eine Geburt Christi, eine kostbare, alte Szene mit bemalten Skulpturen.
Nachdem er den Vorhang wieder zugezogen hatte, sah er mein glückliches Lächeln und beeilte sich, die Hand auszustreckend. Selbstverständlich war ich glücklich, ihm für all seine Mühe einen Obulus zu geben.
Wenn Sie Santa Chiara besuchen, werden Sie das ebenfalls allzu gerne tun.